Nicht einmal ein Glas Wasser

Im Zuge der Geiselnahme von Marchegg machte die österreichische Bundesregierung den palästinensischen Entführern das Zugeständnis, das Durchgangslager Schönau (für aus der Sowjetunion über Österreich nach Israel ausreisende Juden) zu schließen. Die Geiselnahme endete danach unblutig.

Deswegen besuchte 1973 die israelische Premierministerin Golda Meir den österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky, um diesen zu bitten, das Lager nicht zu schließen.

Kreisky kam dem Ersuchen nicht nach. Nach ihrer Rückkehr nach Israel beklagte sich Meir: „Nicht einmal ein Glas Wasser hat er mir gereicht.“

Das Verhältnis zwischen Österreich und Israel war unter der Kanzlerschaft von Bruno Kreisky gelinde gesagt, angespannt. Dies sogar soweit, dass Kreisky – angeblich im Wissen um den bevorstehenden Angriff Ägyptens (Yom-Kippur-Krieg) – nicht warnte.

Sei es wie es sei, die Politik Kreiskys (der selbst Jude war, und viele Verwandte im Holocaust verloren hatte) würde man heute als klar antisemitisch einstufen. Höhepunkt stellt die Affäre Wiesenthal dar. Simon Wiesenthal hatte 1975 die Waffen-SS-Mitgliedschaft des Chefs des Koalitionspartners Kreiskys, Friedrich Peter (FPÖ), thematisiert. Der wütende Kreisky bezichtigte daraufhin Wiesenthal, ein Nazi-Kollaborateur gewesen zu sein.

Rückblickend muss wohl die Ära Kreisky als wesentlicher Mosaikstein der verspäteten Aufarbeitung der Rolle Österreichs in der Nazi-Zeit gewertet werden.

Aber egal, in Zeiten, in denen – anders als heute – Rundfunk und Zeitungen ein Meinungsmonopol hatten, konnte Kreisky sich einen Status erschaffen, der Kritik im eigenen Land und in der europäischen Linken marginalisierte.

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